Dienstag, 20. Oktober 2009

Endspiel: Turm gegen Bauer

Das Endspiel Turm gegen Bauer gehört meines Erachtens zu den einfachsten Abspielen. Es lässt sich leicht berechnen, da der einzige Plan der Bauernpartei darin besteht, den Bauern umzuwandeln, um das Remis zu erreichen. Verblüffenderweise kommt es dennoch vor, dass Großmeister in diesem Endspiel fehlgreifen.
Prominentestes Beispiel ist hier die Weltmeisterschaftspartie Aljechin - Bogoljubov (Den Haag 1929, 19. Partie). Im Diagramm unten spielte Bogoljubov 70.- Kg4??



Daraufhin bedankte sich Aljechin und lenkte mit 71.b7 f5 72.b8-D Txb8 73.Txb8 in ein gewonnenes Endspiel Turm gegen Bauer ein. Nach 73.- f4 74.Kd5 f3 75.Ke4 f2 76.Tf8 Kg3 77.Ke3 gab Bogoljubov auf.

Notwendig war 70.- Ke4! Dvoretzky nennt das einen Bodycheck[1]. Falls Weiß dann umwandeln würde, würde der schwarze König den weißen König daran hindern, über die Mitte an den Bauern heranzulaufen. Nach 71.b7 f5 72.b8-D Txb8 73.Txb8 f4 hätte sich folgende Situation ergeben können:




Diese Stellung ist remis, da der weiße König nicht an den Bauern herankommt.

Einen Überblick über die Pläne der Turmpartei bietet die Studie von Kopaev (1954) :



Weiß am Zuge muss seinen König aktivieren. Optisch sieht es nicht so gut aus, da der weiße König weit entfernt ist - dennoch ist er noch nahe genug! Zunächst spielt Weiß 1.Tf7+. Nach 1.- Ke3 (Variante 1) kommt 2.Tg8! Da es in der Literatur keinen Namen für dieses Manöver gibt, nenne ich es mal "Stopper". Zum einen stoppt der Turm den Bauern, der nicht vorwärts gehen kann, zum anderen muss der gegnerische König wieder zurückgehen, um den Bauern zu decken. 1.Tf7+ war eine notwendige Vorbereitung für den Stopper, da Schwarz auf 1.Tg7? einfach 1.- g4 gespielt hätte. 2.- Kf4

Da der schwarze König auf f4 dem weißen König den Zugang über die Mitte verbaut (Bodycheck), muss Weiß eine andere Route nehmen (siehe Diagramm unten).



3.Kf7 g4 4.Kg6! g3 5.Kh5 Kf3 6.Kh4 g2 7.Kh3 +-

Kommen wir zur Variante 2 (Schwarz spielt 1.-Kg3 und macht den Weg über die h-Linie dicht). Jetzt nimmt Weiß die Route über die Mitte. 2.Ke7 g4 3.Ke6 Kh2 4.Ke5 g3 5.Kf4 g2 6.Th1+ Kg1 7.Kg3! Kf1 (siehe Diagramm).



Nach 8.Tf7+ Kg1 9.Tf8 (Abwartezug) Kh1 10.Th8+ Kg1 11.Th2 gewinnt Weiß den Bauern und die Partie.

Für einige Verwirrung in der Szene sorgte jüngst die Partie Cheparinov - Almeida Quintana (Spanische Liga 2009). Cheparinov verschenkte einen Sieg in folgender Stellung:


Hier spielte Weiß, der sich nicht in Zeitnot befand, 55.Ta5+??; stattdessen wäre der Sieg mit 55.Kd6! einfach zu erreichen gewesen. Wie kann man sich das erklären? Meines Erachtens hat Weiß zwar richtig erkannt, dass der schwarze König optimal platziert ist, um den weißen König beim Marsch durch die Mitte zu hindern (Bodycheck, siehe oben). Aber dafür hat Schwarz ein Tempo weniger (!), so dass Weiß dennoch an den Bauern herankommt durch Oppositonsstellung und Turmschach. Das geht so:

55.Kd6 g4 56.Kd5 Kf4 57.Kd4 Kf3 58.Kd3 g3 59.Tf7+ Kg2 (Weiß hat sein Ziel erreicht; der schwarze König blockiert seinen eigenen Bauern) 60.Ke3 und Weiß gewinnt.

Bei dem Endspieltyp Turm gegen Bauer ist es im Prinzip ausreichend, die generellen Ideen zu kennen. Mit einfacher Variantenberechnung zusätzlich ist die Stellung leicht zu taxieren, da die Zahl der sinnvollen Züge für beide Parteien sehr begrenzt ist.
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[1] Dvoretzky, Mark: "Die Endspieluniversität", S. 176.

Dienstag, 6. Oktober 2009

Tactics (22)

White to move in Sargissian - Caruana (Ohrid 2009).



Solution (diff. ●●●○○): 1.Re6 fxe6 2.Bxh6+ Kg8 3.Rb3! 1-0 (3.-Qxb3 4.Qxe6+ Kh8 5.Qf7! with mate to follow)

Donnerstag, 1. Oktober 2009

Tactics (21)

There is one sentence by Fischer that is quoted very often: "Tactics flow from a positionally superior game." [1] This is easy to understand because a superior position also means that the enemy's pieces are misplaced - and this gives the opportunity for forkes and so on. At least this is my interpretation.
In the diagram below from the game Beliavsky - Brondum (Copenhagen 2002) you see a superior position. White to move has all pieces actively placed and it's just a question of time that he breaks through. Or am I too fast and the attack is not yet strong enough? What do you think?


diff. ●●●○○

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[1] Fischer, Robert J.: My 60 Memorable Games, p. 16.