Dienstag, 22. September 2009

Kasparov vs. Karpov 2009 - nostalgisches Gruftischach


Als vor einiger Zeit die Ankündigung eines Wettkampfs Kasparov gegen Karpov als Erinnerung an das legendäre Match 1984/1985 [1] die Runde machte, wagte man kaum die beliebte Sportfloskel "ein mit Spannung erwartetes Spiel" in den Mund zu nehmen. Man runzelte eher die Stirn und dachte sich: "Auch das noch". Denn vom rein schachlichen Gesichtspunkt dürfte die Veranstaltung in Valencia wenig interessant sein - zu lange sind die Kontrahenten aus dem Profigeschäft. Um auch gar nicht den Eindruck zu erwecken, als handele es sich um mehr als eine nostalgische Geburtstagsfeier, setzten die Organisatoren lediglich Schnellschach- und Blitzpartien an.

Zwei dieser Partien wurden heute gespielt. Wer auf Karpov Geld gesetzt hatte, musste schnell erkennen, dass dies eine Fehlinvestition war. Der längjährige Weltmeister spielte eine Serie von merkwürdigen Zügen, die direkt aus der Gruft zu kommen schienen. Exemplarisch folgende Stellung aus der zweiten Partie:




Als Schwarzer spielte Karpov hier den Zug 1.- Sc5?? (besser ist 1.- Se5, wonach der Springer auf g6 Verteidigungsaufgaben übernehmen kann). Man kann spekulieren, ob er die folgende Kombination übersehen hat. Besonders schwierig ist sie nicht und dürfte Kasparov kaum Zeit gekostet haben. Da die schwarzen Figuren sich am Damenflügel versammelt haben, liegt ein Mattangriff auf der Hand. 2.Sf6+! gxf6 3.Dh6 f5 4.Dg5+ Kh8 4.Df6+ Kg8 5.Txf5 Se4 6.Dh4! (greift den Springer an) Te8 7.Th5 f5 1-0

Die Partien heute zeigen, dass Karpov zumindest eine Formschwäche hat. Man kann ihm nur wünschen, dass es in den morgigen beiden Partien wenigstens noch zu einem halben Zähler reicht. Kasparov hingegen spielte so, als wäre er noch so faltenlos wie auf dem obigen Plakat.
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[1] Das Moskauer Match 1984/1985, das heute als legendär bezeichnet wird, galt damals als das langweiligste der WM-Geschichte. Da die Partienzahl nicht limitiert war, spielte man so lange, dass selbst die Zeitungen keine Lust mehr hatten, die Partien abzudrucken. Konsequenterweise wurde der Kampf bei einer 5:3-Führung von Karpov abgebrochen. Das zweite Match über 24 Partien gewann Kasparov dann 1985 ebenfalls in Moskau.

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