Samstag, 19. November 2011

Übersehene Taktik

Die unten stehende Diagrammstellung aus der Partie Schiffers-Chigorin (St. Petersburg 1897) passt zum Beitrag über den Film "Night moves" (Partie Emmrich-Moritz). Auch hier wird eine schöne taktische Möglichkeit verpasst. Chigorin verlor seine Dame früh, kam aber in der Folge zu sehr gutem Figurenspiel. Als letzten Zug spielte Schiffers 24.De3xa7??.






Was ist hier zu tun?

Chigorin spielte 24.- b6 und die Partie endete remis.










Stattdessen hätte er mit 24.- Th1+!! ein Matt in 6 ankündigen können. Nach 25.Sxh1 Lh2+!! 26.Kxh2 Th1+ 27.Lh6 Txh6+ 28.Kg3 Sf5+ 29.Kf4 Th4# wäre das Matt nicht zu vermeiden gewesen:









Chigorin wird sich geärgert haben, dass er diese forcierte taktische Folge übersehen hat. Selbst für Meister ist ein solches Matt in der Brettmitte zu ungewöhnlich, um es auf den ersten Blick in Betracht zu ziehen.




Interessanterweise wird auf dem Taktikserver chesstempo.com das Finden des Matts einem Spieler mit ELO 1870 zugetraut. Ein bisschen tiefgestapelt, wie mir scheint.




Chigorins beste historische ELO-Zahl lag bei 2797 im Jahr 1895.




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Mittwoch, 28. September 2011

Schach im Film ‒ "Night Moves" (Alan Sharp/Arthur Penn)

Der Film "Night Moves" (1975) von Arthur Penn, basierend auf dem Roman von Alan Sharp, der auch das Drehbuch schrieb, handelt um den Privatdetektiv Harry Moseby (Gene Hackman), der die ausgebüchste Tochter einer ehemaligen Schauspielerin finden soll. Dabei kommt er einer größeren Sache auf die Spur ...

Moseby hat ein kleines Taschenschachspiel, auf dem er in einer Szene eine Partie nachspielt. Die Stellung ist aus Emmrich - Moritz (Bad Oeynhausen 1922).





Schwarz am Zug hätte jetzt gewinnen können mit 26.- Dxh2+!! 27.Kxh2 Sg4+ 28.Kg1 Sh3+ 29.Kf1 Sh2# (stattdessen spielte Schwarz 26.- Ld5 27.cxd5 Sh3+ 28.Kf1 und gab auf).








(Die Stellung im Film scheint, was den Damenflügel angeht, falsch aufgebaut zu sein.)

Auf Moseby macht die Partie einen großen Eindruck. Er sieht darin Parallelen zu seinem eigenen Leben. Ungenutzte Chancen, die nicht wiederkommen und einen ein Leben lang verfolgen.
Überhaupt hat der Film einen existenziellen Unterton. In einer Szene sieht Moseby sich ein Footballspiel im Fernsehen an. Seine Frau fragt ihn: "Wer gewinnt?", und er antwortet:
"Keiner. Die eine Mannschaft verliert nur langsamer."

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Mittwoch, 7. September 2011

Tactics (41)

Black to move wins in Kamsky - Svidler (Kanthy Mansyisk 2011):




Solution (2/5): 1.- Re2!! (wins the white f-pawn since 2.Qxe2 ist not possible because of 2.- Qg3!) 2.Qc3 Rxf2 3.Nc6 Rxf1+ 0-1

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Donnerstag, 1. September 2011

Unverständlicher Fehler

Großmeister begehen manchmal Fehler, bei denen man sich selbst als Amateur schlecht fühlen würde. Ein solcher Fehler ereignete sich in der Schnellschachpartie (10+10) Bacrot - Robson (Kanthy Mansiysk 2011). Schwarz war in der Diagrammstellung am Zug:






Robson spielte jetzt 87.- h2?? Ein kapitaler Fehler. Mit 87.- Kg2! 88.Tg6+ Kf1! 89.Kf3 h2 wäre das Remis klar gewesen. 88.Tg6+ Kh3 89.Kf2 h1-S+ 90.Kf3 Kh2 91.Tg7 und der Springer ist weg 1-0


Eine fast identische Stellung gibt Mark Dvoretzky in der "Endspieluniversität" [1] :



Er schreibt, dass man sich die Position "unbedingt merken sollte". Zu dem Zug, den Robson in analoger Stellung spielte, heißt es: "Trostlos ist 1.- a2? 2.Tb8+ Ka3 3.Kc2! a1-S+ 4.Kc3 Ka2 5.Tb7 Zugzwang."


Remis ist (wie oben dargestellt) 1.- Kb2!


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[1] Dvoretzky, Mark: "Die Endspieluniversität", 3. Aufl. 2006, S. 175





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Mittwoch, 24. August 2011

Blunder (24)

In the diagram below you see a position from Arribas Lopez - Ipatov (Barcelona 2011) with Black to move.




Instead of 20.- Bc6 Black played 20.- Rc8?? A not much understandable move on this level. White now simply saced the rook with 21.axb5 Rc1+ 22.Ke2 Rxh1 23.bxa6 and now Black cannot play 23.- bxa6 because of the mate on the back rank.
23.- Qe7 24.Qxb7 Qe8 25.a7 Ra1 26.Qb8 Kf8 27.Nc6 Ra2+ 28.Kd1 f5 29.b4 1-0

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Montag, 11. Juli 2011

Wo Aagaard falsch lag

In seinem Buch "Inside the Chess Mind" (2004) lässt Jakob Aagaard Testpositionen von Schachspielern lösen, die währenddessen in ein Mikrofon sprechen und dabei ihre Gedanken mitteilen. Ein interessanter Versuch, denn auch die GMs Heine-Nielsen und Jussopov sind dabei. Testposition 8 mit Schwarz am Zug sieht so aus:




Das ist eine Theoriestellung aus der Slawischen Verteidigung. Heine-Nielsen und Jussupov lösten die Aufgabe mit dem Damenopfer 1.- dxc3 2.Lxf7+ Kxf7 3.Dxd8 cxb2, da ihnen die Stellung bekannt war. Die anderen Probanden wollten Züge wie Sg4, Lb4 und Le7 spielen (ich habe anhand des Buches auch mitgelöst und entschied mich für 1.- Lb4; allerdings hätte ich mehr Zeit gebraucht als die vorgegebenen 12 Minuten; das Damenopfer hätte ich am wenigsten gespielt, da es sehr spekulativ ist).

Aagaard selber hält das Damenopfer für nicht vorteilbringend und schreibt Folgendes:






Dass 10.Sf3 forciert sei, ist aber falsch, denn das Figurenopfer 10.e6 ist sehr stark (Diagramm):




Ich will die Stellung hier nicht analysieren, aber Weiß steht gut genug. Die beste Möglichkeit für Schwarz ist hier 10.- Lxe6 11.Lxe6 Se5 (10.- Dxh4 ist weniger gut wegen 11.exf7+ Kd8 12.Dxd4+ Sd7 13.Le2!).



Worum es mir geht, ist anzusprechen, dass in der heutigen Zeit viele (auch GMs) ihre Analysen zu sehr nach Computern richten. Dies hat den Nachteil, dass sie irgendwann obsolet werden, wenn bessere Computer entwickelt werden. Im Test von Aagaard löste auch Fritz 8 mit, der Sg4 favorisierte. Nur ist Fritz 8 heute eine Maschine aus der Steinzeit. Die von mir angeführte Variante mit 10.e6 stammt von Houdini 1,5 und wird mit 0.00 bewertet.



Houdini hält das von Heine-Nielsen und Jussopov vorgeschlagene 9.- dxc3 für den besten schwarzen Zug (- 0.43).
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Dienstag, 14. Juni 2011

Schlechtes Zeitmanagement – dann noch Glück

Hier mal eine Partie aus der eigenen "Werksammlung". In der Begegnung Proba - Eigemann, J. (Köln 2011) kam es zu folgender Position mit Weiß am Zug:





Die Stellung hatte ich gedanklich schon als Gewinn abgehakt, ohne jedoch eine konkrete Variante angeben zu können. 26.Dxg6+ schien mir offensichtlich, wenngleich ich sagen muss, dass es auch der fehlenden Zeit geschuldet war. Zwar hatte ich noch 15 Minuten, aber warum sollte man gerade an dieser Stelle überlegen, wo ein Bauerngewinn mit Schach möglich war?

Dass ich überhaupt in diese missliche Zeitsituation kam, hängt am schlechten Zeitmanagement. Ein ewiges Problem, zumal dann, wenn man Raucher ist. Schachfreunde kommen diesbezüglich immer mit folgendem Rat: "Dann hör doch mit dem Rauchen auf!" Ein Rat, der wohlgemeint ist, aber den man sich auch selber geben könnte.

Es sind aber nicht nur die Raucherpausen. Man verliert auch Zeit, wenn man zu viele unsinnige Varianten berechnet (ein Fehler, der mir Züge vorher unterlief, wo ich zehn Minuten verplemperte). Zehn Minuten, die mir in dieser Stellung fehlten, denn sonst hätte ich vermutlich



26.Txf6!!

gesehen. Der Zug liegt alles andere als auf der Hand, aber er ist doch klar, wenn man die Idee sieht, die dahintersteckt.

26.- Lxf6

27.Dxg6+ Lg7

27.Ld3!! (Diagramm)





Es wird offensichtlich, dass Schwarz sich von der Drohung Dh7+ und Tf1+ nicht befreien kann. Nach 27.- Db2 28.Dh7+ Kf8 29.Tf1+ Df6 30.Txf6+ Lxf6 31.Df5! verlöre er noch zusätzlich den Läufer.

Aber das sind nur Varianten, die man verpasste. Ich spielte


26.Dxg6+ Tg7


27.Dh5 (hier merkte ich plötzlich, dass mir die Pläne fehlten; 27.e7+ Kh8 28.De4! hätte immer noch gewonnen, mit der Drohung Ld5 und der Turm auf a8 ist nicht zu decken)


27.- Th7


28.e7+? (aus Planlosigkeit wird Hektik) Kh8


29.De2?? (29.Df5) Ld4+


30.Kh1


(Diagramm)



Plötzlich steht Schwarz auf Gewinn. Die Drohung d6-d5 mit Dxh2+ entscheidet. Ich hätte nicht gedacht, dass die grottig stehende schwarze Dame auf b8 noch mal in den Kampf eingreifen würde!

30.- d5! hätte jetzt gewonnen (31.e8-D+ Dxe8 32.Dxe8+ Txe8 33.Lb5 Tb8 34.Tab1 Le5 und Schwarz hat einen gesunden Mehrbauern, -+)

Stattdessen dachte sich mein Gegner, dass man sich vor d6-d5 und dem Damentausch noch die Qualle mitnehmen könnte.

30.- Lxa1?

31.Lb5! (die Rettung)





Hier hätte Schwarz noch die Dame geben können - mit meines Erachtens durchaus guten Chancen (31.- Le5 32.e8-D+ Dxe8 33.Lxe8 Txh2+ 34.Kg1 Txe8 =+)

31.- Txe7
32.Dxe7 Dxb5
33.Txa1 Db2
34.Te1 Tg8
35.De4 Df2
36.g3

remis


Die Partie war nichts für schwache Nerven. Mit besserem Zeitmanagement hätte ich die Sache aber doch gewinnen sollen.

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